FAKTEN
Das Lügenmuseum in Radebeul ist durch die Kündigung des unbefristeten Mietvertrags durch die Stadt akut gefährdet. Derzeit läuft eine Räumungsklage vor dem Amtsgericht Meißen. Ein Vorschlag zur Vertragsverlängerung um zwei Jahre wurde von der Stadt zunächst abgelehnt. Der Klagewert wurde erhöht, wodurch das Verfahren möglicherweise an das Landgericht Dresden verwiesen wird. Das Urteil ist am 20. August 2025 zu erwarten.
Wir streben keine juristische Eskalation, sondern fordern eine lösungsorientierte Verhandlung.
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Trotz des Interesses eines neuen Kaufinteressenten, der bereit ist, die Immobilie zu erwerben und das Lügenmuseum langfristig zu sichern, reagiert die Stadt erneut mit Verzögerungen. Diese Hinhaltetaktik verhindert konkrete Perspektiven für den Erhalt des Museums.
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Seit seiner Eröffnung 2012 im historischen Gasthof Serkowitz verfolgt das Lügenmuseum das Ziel eines Erbbaupachtvertrags – dieser wurde bis heute nicht realisiert. Zwischen 2013 und 2024 wurden mehrere Konzepte und Kaufangebote durch die Betreiber eingebracht, doch es kam weder zu einer Reaktion noch zu Verhandlungen.
Im Jahr 2022 wurde eine Petition mit über 1.800 Unterschriften eingereicht, die erst 2025 beantwortet wurde. Die aktuelle Petition fast 2.000 Unterschriften läuft bis Ende 2025.
openpetition.de/!qsstl
2024 wurde der Mietvertrag gekündigt – ohne vorheriges Gespräch. 2025 folgte die Räumungsklage; ein Vorschlag zur Vertragsverlängerung wurde abgelehnt.
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Das Lügenmuseum ist ein herausragender soziokultureller Ort mit internationaler Ausstrahlung. Es umfasst 17 Ausstellungsräume, beherbergt eine internationale Sammlung und zählte bislang 90.000 Besucher:innen.
Das Projekt erhielt zahlreiche Auszeichnungen, ist in internationalen Netzwerken aktiv und basiert auf etwa 30.000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit. Das Museum steht für künstlerische Freiheit, gesellschaftliche Reflexion und kulturelle Bildung – lebendig, relevant und inklusiv.
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Wir fordern von der Stadt Radebeul und ihrem Oberbürgermeister die Rücknahme der Räumungsklage, die umgehende Gesprächsaufnahme mit dem aktuellen Kaufinteressenten sowie transparente und ernsthafte Verhandlungen mit dem Ziel einer dauerhaften Lösung – etwa durch Verkauf, Erbpacht oder eine gemeinwohlorientierte Trägerschaft.
Die Betreiber des Museums müssen als gleichberechtigte Akteure in diesen Prozess einbezogen werden.
Denn es geht um mehr: Die Kündigung gefährdet nicht nur ein Museum – sie gefährdet ein über Jahre gewachsenes, anerkanntes Modell für freie Kulturarbeit, zivilgesellschaftliches Engagement und demokratische Teilhabe. Statt Ausgrenzung und Rückzug braucht es Dialog und Verlässlichkeit. Der Erhalt des Lügenmuseums wäre ein Zeichen für die kulturelle Glaubwürdigkeit einer Stadt, die sich Kulturstadt nennt.
Stand: Juli 2025
ANALYSE
Gegendarstellung zur Stellungnahme des OBM Wendsche Radebeul gegenüber der Bundesstiftung Aufarbeitung (Juli 2025)
Die Stellungnahme des Oberbürgermeisters reduziert die Verantwortung der Stadt Radebeul gegenüber dem international anerkannten Lügenmuseum auf eine bloße Mietangelegenheit. Dabei wird ein einseitiges Narrativ wiederholt, das die eigentliche kulturpolitische Dimension ausblendet und durch eine rein verwaltungsorientierte Perspektive ersetzt. Die Stadt präsentiert sich als rechtstreu und hilfsbereit, während die Verantwortung für das Scheitern einer dauerhaften Lösung allein dem Museum und seinem Gründer zugeschoben wird. Eine angemessene Würdigung seiner künstlerischen, bildungspolitischen und erinnerungskulturellen Leistungen bleibt aus.
1. Ignorierte politische Dimension
Der Künstler Reinhard Zabka ist ein unabhängiger DDR-Künstler und Dissident, Zeitzeuge zweier Systeme. Mit dem Lügenmuseum hat er ein Werk geschaffen, das Transformation, Erinnerung, Manipulation und Selbsttäuschung künstlerisch verhandelt. In Zeiten wachsender Geschichtsvergessenheit ist ein solcher Ort ein bedeutender Beitrag zur demokratischen Erinnerungskultur, gerade wegen seiner Unangepasstheit.
2. Abwertung der künstlerischen Leistung
Begriffe wie „Obdach gewähren“ oder „Einlagerung von Museumsgut“ degradieren das Museum zu einem Duldungsfall. Dabei handelt es sich um eine in 30 Jahren gewachsene, einzigartige Institution mit überregionaler Ausstrahlung. Das Museum ist gleichzeitig ein begehbares Archiv der Nachwendezeit, ein künstlerisches Experimentierfeld, Gesamtkunstwerk und ein Ort gelebter Demokratiebildung.
3. Verkürzte öffentliche Verantwortung
Die Kommune trägt nicht nur haushaltspolitische, sondern auch kulturelle Verantwortung, gerade in peripheren Räumen, in denen unabhängige Kulturakteure oft prekär arbeiten. Der Trägerverein hat in den letzten Jahren rund 500.000 € Fördermittel eingeworben. Diese Leistungen drohen durch die Kündigung verlorenzugehen. Der Vorwurf, die Bemühungen seien allein an Herrn Zabka gescheitert, blendet die strukturellen Versäumnisse seitens der Stadt aus.
4. Dialogverweigerung
Weder wurde das Gespräch mit der Bundesstiftung Aufarbeitung ernsthaft gesucht, noch wurden kooperative Lösungen (Trägerschaft durch Dritte, Stiftungslösungen) eruiert. Politisch unkonventionelle Kunst benötigt Offenheit und einen weiten kulturpolitischen Horizont. Die Stadt jedoch beharrt auf einem rein verwaltungstechnischen Vorgehen.
5. Kulturelle Marginalisierung
Durch die Verdrängung des Lügenmuseums wird ein Ort kritischer Selbstreflexion an den Rand gedrängt. Die lebendige Form der Erinnerung – performativ, spielerisch, widerständig – wird als störend empfunden. Doch gerade sie ist unverzichtbar für eine offene Gesellschaft und den Anspruch auf kulturelle Vielfalt.
6. Falschnarrative im Detail (Auswahl)
„Obdach seit 2012“: Das Museum war ein freiwilliger Kulturakteur mit Vision – nicht ein bloßer Duldungsfall.
„Provisorisch von Anfang an“: Es gab tragfähige Konzepte, keine wurden angenommen. Die städtische Unterstützung blieb aus.
„Gebäudeschäden“: Der Verfall war absehbar, Vorschläge des Museums wurden ignoriert.
„3,5 Mio. nicht tragbar“: Eine Sanierung hätte durch Fördermittel auf Landes- oder Bundesebene unterstützt werden können.
„Verkauf abgestimmt“: Intransparente Kommunikation führte zum Scheitern. Die Schuldzuweisung an Herrn Zabka ist unbelegt.
Privates Projekt ohne Relevanz“: Das Museum ist ein gemeinnütziger Träger kultureller Bildung mit breiter öffentlicher Resonanz.
7. Schlussfolgerung
Die Stadt Radebeul verfehlt ihre kulturpolitische Verantwortung, indem sie das Lügenmuseum nicht würdigt, sondern es systematisch marginalisiert. Die aktuelle Situation ist Resultat eines jahrelangen Versäumnisses, aus einem kulturellen Provisorium eine dauerhafte Perspektive zu entwickeln.
Was nötig wäre:
Eine Anerkennung der besonderen Bedeutung des Lügenmuseums für Erinnerungskultur, politische Bildung und künstlerische Freiheit.
Eine Offenheit für strukturelle Lösungen statt pauschaler Ablehnung.
Eine öffentliche Korrektur der ausgrenzenden Narrative.
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